Heute ist ein wichtiger Tag. Endlich geht es los für Euch an der Thomas-Edison-Realschule. Das neue Schuljahr beginnt und damit ein ganz neuer Abschnitt in Eurem Leben als Schülerinnen und Schüler, aber auch im Leben der Schule, die heute so viele neue Menschen begrüßen darf.
Ich stelle mir vor, dass Ihr neben der freudigen Erwartung auch ein bisschen aufgeregt seid und Euch fragt:
Wie wird es sein an der neuen Schule?
Werden die Lehrerinnen und Lehrer nett sein?
Werde ich neue Freundinnen und Freunde finden?
Diese Fragen haben mich als Schüler in Eurem Alter sehr beschäftigt und darum vermute ich, dass es Euch heute ganz ähnlich geht.
Warum beschäftigen uns diese Fragen so sehr an jeder Schwelle zu einem neuen Lebensabschnitt?
Ich glaube, das hat damit zu tun, dass wir selbst uns auch immer wieder neu kennenlernen, wenn wir in eine neue Situation kommen.
Im Kontakt mit der neuen Schule, mit den neuen Lehrerinnen und Lehrern, mit den neuen Freundinnen und Freunden geht es immer auch um die Frage:
Wer bin ich eigentlich?
Wer bin ich in Beziehung mit den anderen Menschen, die auch Teil dieser Thomas-Edison-Realschule sind?
Was kann ich?
Und was will ich eigentlich hier erreichen? Für mich, aber auch gemeinsam mit den anderen?
Das sind Fragen, die sich immer wieder im Leben stellen. In jedem Lebensabschnitt werden wir darauf etwas andere Antworten finden. Die Antworten sind nie ganz fertig, weil wir als Menschen nie ganz fertig sind, solange wir leben.
Und doch gibt es Phasen im Leben, in denen wir besonders intensiv fragen:
Wer bin ich?
Was kann ich?
Was will ich?
Die Zeit, die jetzt für Euch beginnt, die fünfte und sechste Klasse ist eine solche Zeit.
Ihr werdet Euch selbst neu kennenlernen. Ihr werdet ständig die Erfahrung machen, dass Ihr etwas Neues lernt und könnt. Und Ihr werdet mehr und mehr herausfinden, was Ihr wollt und was Ihr nicht wollt.
Dieser Weg, der jetzt vor Euch liegt, ist sehr spannend, weil Ihr hier und heute noch gar nicht wissen könnt, wohin er Euch führt.
Ich bin mir sicher, dass viele Entdeckungen vor Euch liegen.
Bestimmt werdet Ihr Seiten an Euch selbst entdecken, mit denen Ihr gar nicht gerechnet habt.
Ihr werdet Dinge tun, von denen Ihr nie dachtet, dass Ihr sie tun könnt.
Ihr werdet Euch an Ziele heranwagen, die möglicherweise niemand außer Euch teilt. Aber es werden Eure Ziele sein.
Auf diesem Weg, der jetzt vor Euch liegt, seid Ihr nicht allein.
Es gibt Menschen, die Euch begleiten.
Das sind Eure Lehrerinnen und Lehrer, die Schulsozialpädagoginnen und natürlich auch Eure Mütter und Väter.
Wir alle brauchen Menschen, die uns unterstützen, die uns sagen:
Du schaffst das.
Du bist vielleicht anders als ich selbst – Du kannst andere Sachen, Du hast andere Ziele –, aber ich begleite Dich und helfe Dir, Dich selbst zu entdecken.
Nun ist es so, dass die Menschen, die uns begleiten, sich viel Mühe geben, trotzdem aber auch an Grenzen stoßen.
Lehrerinnen und Lehrer haben viel zu tun. Sie müssen sich um viele Schülerinnen und Schüler kümmern, denn auch Ihr Tag hat nur 24 Stunden.
Mütter und Väter wollen stets Euer Bestes. Sie müssen aber auch arbeiten und Geld verdienen, sich um Geschwister kümmern und sind abends meistens sehr müde.
Menschen geben sich viel Mühe mit uns und stoßen trotzdem auch an Grenzen.
Ausgerechnet dann, wenn Euch etwas besonders unter den Nägeln brennt, hat der Klassenlehrer keine Zeit für ein Gespräch.
Und wenn Ihr endlich verstanden habt, was Ihr in den nächsten zwei Wochen erreichen wollt, fallen der Mama oder dem Papa abends vor dem Fernseher die Augen zu.
In solchen Momenten kann man sich sehr alleine fühlen.
(Und meistens fühlen sich die Eltern und Lehrer in so einer Situation auch nicht so ganz gut. Aber das ist ein anderes Thema.)
Da ist es gut, dass es einen gibt, der größer ist als wir Menschen.
Einer, der weiter sieht und tiefer schaut, als wir es können.
Denjenigen nennen wir in der Sprache unseres Glaubens „Gott“.
Von Gott erzählen wir Geschichten und zu Gott sprechen wir, weil wir glauben, dass Gott uns hört und zu uns spricht.
In der Bibel gibt es viele Geschichten von Gott und viele Gebete, die vor langer Zeit aufgeschrieben wurden.
Eines von diesen Gebeten ist der Psalm 139. Ein Mensch spricht zu Gott:
Gott, du hast mich erforscht
und kennst mich genau.
Ob ich sitze oder stehe: Du weißt es.
Meine Absicht erkennst du von fern.
Ob ich gehe oder ruhe: Du bemerkst es.
Alle meine Wege sind dir bekannt. (Basisbibel)
Gott kennt uns besser, als wir uns selbst kennen.
Das klingt auf den ersten Blick ein bisschen oberlehrerhaft, ja besserwisserisch.
Aber so ist es nicht gemeint.
Der Mensch im Gebet sagt vielmehr zu Gott:
Es ist gut, dass wenigstens Du mich kennst.
Auch wenn die anderen mich einmal missverstehen, auch wenn ich selbst einmal nicht so genau weiß, wer ich bin, was ich kann, was ich will, Du weißt es doch.
Und einer Sache ist sich dieser Mensch im Gebet ganz sicher:
Gott wird uns helfen, dass wir uns selbst immer besser kennenlernen.
Gott stellt Menschen an unsere Seite, die uns unterstützen.
Gott verzeiht Fehler, die wir machen, weil wir es noch nicht besser wissen.
Gott macht Menschen aus uns, die ihm gefallen, die das Gute in der Welt wollen und tun.
All‘ das braucht Zeit, geht nicht von heute auf morgen.
Darum ist es gut, dass Ihr jetzt Zeit habt.
Ein ganzes Schuljahr liegt vor Euch.
Ich wünsche Euch und Ihnen, dass es ein gutes Schuljahr wird.
Dass Sie sich miteinander über alles freuen können, was gelingt.
Dass Sie miteinander Geduld und Hoffnung haben in schwierigen Zeiten.
Dazu segne Euch Gott.