Markus 16,1-8

Ostersonntag. Heute geht es um die Geschichte vom leeren Grab aus dem Markusevangelium. Er beginnt damit, dass drei Frauen sich auf den Weg zum Grab machen, um den Leichnam Jesu zu salben. Ich lese den Text mal vor, in der Übersetzung der Zürcher Bibel von 2007.

1 Als der Sabbat vorüber war, kauften Maria aus Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben.

2 Und sehr früh am ersten Tag der Woche kommen sie zum Grab, eben als die Sonne aufging.

3 Und sie sagten zueinander: Wer wird uns den Stein vom Eingang des Grabes wegwälzen?

4 Doch wie sie hinschauen, sehen sie, dass der Stein weggewälzt ist. Er war sehr gross.

5 Und sie gingen in das Grab hinein und sahen auf der rechten Seite einen jungen Mann sitzen, der mit einem langen, weissen Gewand bekleidet war; da erschraken sie sehr.

6 Er aber sagt zu ihnen: Erschreckt nicht! Jesus sucht ihr, den Nazarener, den Gekreuzigten. Er ist auferweckt worden, er ist nicht hier. Das ist die Stelle, wo sie ihn hingelegt haben.

7 Doch geht, sagt seinen Jüngern und dem Petrus, dass er euch vorausgeht nach Galiläa. Dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat.

8 Da gingen sie hinaus und flohen weg vom Grab, denn sie waren starr vor Angst und Entsetzen. Und sie sagten niemandem etwas, denn sie fürchteten sich.

(Die Bibel, Markus, Kap. 16)

Die Geschichte ist supereinfach gestrickt. Drei Frauen, zwei heißen Maria, eine Salome, wollen bei Sonnenaufgang den Leichnam Jesu salben. Die Aktion ist wohl ein Zeichen ihrer Verbundenheit und ihrer Trauer. Und schon auf dem Weg merken sie, dass sie ein Problem haben. Der Stein vor dem Höhlengrab ist wahrscheinlich zu schwer für sie. Sie kommen ans Grab. Große Überraschung: der Stein ist schon weg. Sie gehen ins Grab, sehen einen jungen Mann in einem Gewand dort sitzen und erschrecken sich natürlich zu Tode.

Der Mann sagt dann: Erschreckt nicht! Ihr sucht Jesus. Logisch, wen auch sonst! Und dann sagt er noch etwas, und das ist sehr merkwürdig:

Er ist auferweckt worden.

Er ist nicht hier.

Er geht euch voraus nach Galiläa.

Deshalb geht ihr bitte jetzt auch nach Galiläa und sagt das den anderen Jüngern und Petrus.

Was machen die Frauen?

Gehen natürlich nicht nach Galiläa, sondern sie schweigen, weil sie sich so sehr fürchten.

Auf den ersten Blick hat dieses Ende des Markusevangeliums etwas total Befremdliches an sich, weil es so wenig österlich zu sein scheint. Es ist nicht von Jubel und Freude am Ostermorgen die Rede, sondern von Furcht und Zittern, von Flucht und Schweigen.

Die noch junge christliche Kirche hat sich an diesem befremdlichen Schluss des Markusevangeliums tatsächlich so sehr gestört, dass sie im 2. Jahrhundert nach Christus aus Erzählungen des Lukasevangeliums einen zweiten Markusschluss gebastelt hat. Den finden wir in unseren heutigen Bibel in den Versen 9 bis 20.

Warum das eine echte Verschlimmbesserung war, möchte ich euch jetzt noch zum Schluss erzählen.

Der zweite Schluss des Markusevangeliums erzählt von allerhand Erscheinungen Jesu vor den Jüngern und davon, dass er am Ende in den Himmel aufgefahren ist. Und natürlich tun die Jünger in dieser Erzählung genau das, was sie sollen. Sie verkündigen überall die gute Nachricht von Jesus.

Im ersten Schluss des Markusevangeliums, ich nenne ihn jetzt mal den echten, passiert genau das ja nicht, wie eben schon erzählt. Die Frauen erzählen gar nichts vom leeren Grab und von der Auferstehung, weil sie sich fürchten.

Die Pointe an diesem echten Schluss besteht darin, dass der junge Mann im weißen Kleid sagt: Geht nach Galiläa. Dort wird der Auferstandene euch begegnen. Also die Erscheinungen des Auferstandenen werden nicht erzählt, sondern es wird darauf hingewiesen: Die finden in Galiläa statt.

Jetzt ist die gute Frage: Wo ist denn eigentlich Galiläa?

Galiläa ist die Region in Israel, aus der Jesus kommt und in der er gewirkt hat, bevor er am Ende seines Lebens nach Jerusalem gegangen ist und dort gekreuzigt wurde.

Von dieser Phase im Leben erzählen die ersten acht Kapitels des Markusevangeliums. Die Geschichten, wie Jesus Menschen heilt und Gleichnisse erzählt, die spielen alle in Galiläa.

Und jetzt dämmert euch wahrscheinlich schon: Wenn der Evangelist Markus dem jungen Mann im weißen Kleid am Ende der Geschichte sagen lässt „Geht nach Galiläa“, dann sind damit nicht nur die Frauen am Ostermorgen gemeint, sondern auch wir am heutigen Ostermorgen.

Wir, damit meine ich die Leserinnen und Leser des Markusevangeliums.

Wir können natürlich nicht in echt nach Galiläa gehen.

Aber wir können die Geschichten davon, wie Jesus in Galiläa wirkt, noch einmal lesen. Jetzt wissen wir ja schon, wie die Geschichte ausgeht, nämlich mit Kreuzigung und Auferweckung Jesu, und verstehen darum beim zweiten Lesen schon viel besser, wer dieser Jesus eigentlich ist.

Die Idee von diesem Markusschluss ist darum ziemlich genial. Auch wenn es Zeiten gibt, so wie jetzt in der Corona-Pandemie, in der ihr mehr Furcht und Zittern als Freude empfindet, dann ist das nicht schlimm. Geht wieder nach Galiläa. Folgt den Spuren Jesu, seinem Leben und seinem Wirken. Früher oder später werdet ihr selber spüren, dass dieser Jesus lebt und dann auch davon erzählen.

Zugespitzt könnte man sagen: Markus erzählt nicht von Erscheinungen des Auferstandenen damals, weil uns das gar nichts nützen würde. Wir müssen selber dem Auferstandenen begegnen, wenn wir verstehen wollen, was Ostern bedeutet.

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